Baschkirien heute
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Moskau

 
 

Erst auf der Rückreise von Ufa sollte es uns gelingen, mehr von der russischen Metropole zu sehen als Flughafen und Bahngleise. Nach einer Fahrtzeit von 29 Stunden, die wir uns mit unendlichen Skatrunden, Eiscreme am Bahnsteig sowie dank unserer hervorragenden Proviantmeister verkürzten, hieß es: an die Taschen und Rucksäcke, fertig, Moskau!

Nur wohin mit all unseren Habseeligkeiten? Die Gepäckaufbewahrung war die Lösung. Leider waren wir nicht die einzigen mit dieser Idee und so schienen schier endlose Minuten unserer kostbaren Zeit im Untergrund zu verschwinden.

Apropos Untergrund: nach erfolgreicher Abgabe sämtlicher Gepäckstücke ging es mit der Moskauer Metro – der wohl schönsten der Welt – auf Besichtigungstour. Das Problem dabei war der Nachtzug, der uns noch am selben Tag nach Sankt Petersburg bringen sollte.

Ein Tag Moskau ist natürlich nicht genug und man kann nur ahnen wie lange man braucht um diese Stadt als „erkundet“ zu bezeichnen. Was also schaut man in dieser kurzen Zeit am besten an?

Gut, der Abstecher zum Roten Platz und dem Kreml war obligatorisch. Ich muss gestehen: die letzten Stufen aus der Metro hoch ins Freie waren gar nicht schnell genug zu überwinden. Oben angelangt – beim Anblick der Basilika – konnte ich mir ein atemloses „Stehe ich jetzt wirklich hier auf dem Roten Platz?!“ nicht verkneifen. Gesäumt von Kreml und Lenins Mausoleum auf der einen und dem Kaufhaus GUM mit seiner gläsernen Dachkonstruktion auf der anderen Seite war das Bild einfach überwältigend. Die Eintrittspreise angesichts des touristischen Trubels allerdings auch…

 

Wir entschieden uns daher zu einem Schaufensterbummel durch das GUM und begnügten uns mit erschwinglicheren Souvenirs. Zu Fuß entlang des Moskwa-Ufers und den Blick auf weiteren Highlights haftend erreichten wir anschließend die ehemalige Prachtstraße und heutigen Touristenmagnet Arbat, in der wir den Rest des Tages verbrachten. Das Angebot an Beschäftigung reichte dort vom russischen Fast-Food-Mittag über Wühltisch-Käufe hin zu Preisverhandlungen an den unzähligen Souvenirständen. Deren Ware wiederum konnte unterschiedlicher nicht sein: Schmuck, Karikaturen,  Mc Lenin’s – Shirts, russische Abzeichen oder aber Piroschki – einfach ein unvergesslicher Mix.

Was kann man also abschließend über Moskau sagen? Es kommt einem riesig vor. Es ist vielfältig,  laut und beeindruckend. Es ist schmutzig aber das macht nichts. Es sieht echt aus im Vergleich zum getünchten Gemäuer in Sankt Petersburg. Irgendwie handfester. Auf jeden Fall Grund genug, wiederzukommen…

Ulrike Eckert
November 2006

 
   
     

 

Russische Zugfahrten

 
 

Eines der aufregendsten Dinge am Jugendaustausch mit Ufa, stellten für mich die Zugfahrten quer durchs Land dar. Diese Zugreise trat ich mit ganz gemischten Gefühlen an, da ich noch nie über sechs Stunden am Stück in einem Zug verbrachte. Meine Erwartungen waren ungewiss und ich hatte ein wenig Angst aufgrund meines Sprachdefizits, das stellte sich aber als unnötig heraus dank der Fürsorge unserer russischen Freunde. Alles in allem freute ich mich sehr auf das Abenteuer. Wenn man bedenkt, dass die Zugfahrten ein wichtiger Bestandteil unseres Austausches waren. Ich meine bei etwa 82, von mir geschätzten Stunden, sind das ganze 3 Tage und 10 Stunden, die wir ausschließlich im Zug verbrachten. Unsere erste Reise führte uns vom Moskauer Flughafen, durch sämtliche U-Bahn.

Stationen der Stadt, bis zum roten Platz. Nachdem wir abends am Moskauer Bahnhof das richtige Abteil unseres Zuges gefunden hatten und die Passkontrolle der russischen Schaffnerin über uns ergehen lassen hatten, war es endlich soweit und wir durften die heiligen Hallen des Zuges betreten. Auch hier war Verlass auf die russischen Freunde, die uns ein Schlafabteil und ein Bett zuwiesen, sowie unsere Decken und Bettwäsche organisierten. Wenige Minuten später startete der Zug Richtung Ufa und wir begannen uns langsam für die nächsten 26 Stunden in ihm einzuleben. Der Zug bestand aus etwa 30 Wagen, in jeden passten ungefähr 60 Personen und zu jedem gehörten ein Warmwasserkocher, zwei Toiletten, sowie ein mehr oder minder offizielles Raucherstübchen. Wobei bei den russischen Toiletten eine Besonderheit nicht aus den Augen gelassen werden darf, denn „der Russe an sich, setzt sich nicht, sondern stellt sich auf die Brille“. Aber das sei hier nur am Rande erwähnt.

Auf die Liege gezogen hat es einen dann spätestens, als im Zug das Licht abgedunkelt wurde. Zu diesem Zeitpunkt setzte auch die Müdigkeit ein und das Gefühl von den anderen Passagieren jedes Alters, beobachtet zu werden, wurde somit auch immer geringer.

 

Am nächsten morgen etwa zwölf Uhr nahmen wir die erste Mahlzeit ein: chinesische Tütensuppe, geschnittene Tomaten, Gurken, Käse, Wurst, Brot und Tee. Die folgenden Mahlzeiten sollten sich nicht weiter von diesen unterscheiden, bis auf eine kleine Besonderheit, die die Russen während einer der längeren Pausen auf dem Bahnsteig erstanden. Neben Eis, Fisch, Brot und Zeitungen boten die dortigen verkaufstüchtigen Frauen auch 2,0 Liter PET- Flaschen Bier an. Im Zug beschäftigen wir uns überwiegend mit Lesen, Kartenspielen, Musizieren und Wodka trinken, natürlich nur traditionell aus einem Becher für alle.

Noch eine kleine, aber für eine Russlandreise sehr wichtige Bemerkung am Ende, wenn alle Russen im Zug auf einmal panisch ihr Bettzeug und alles andere zusammenräumen und es heißt ?wir sind gleich da?, dann habt ihr noch mehr als genügend Zeit euer Zeug zu packen. Denn nach russischer Zeitrechnung ist ?gleich? etwa ein Zeitraum von zwei Stunden. Wenn es dann aber doch soweit ist, wird man in Ufa mit ganz viel Sekt und einer riesigen Portion Gastfreundschaft empfangen. Nach 3 Wochen bei der Familie in Ufa heißt es leider Abschied nehmen und sich für die zweite Zugreise von Ufa zurück nach Moskau wappnen. Von Moskau aus geht die letzte Reise nach St.Petersburg, diese ist aber mit etwa 15 Stunden eher ein Katzensprung.

Romy Reichert
November 2006

 

 
   
     

 

Die Sache mit den Frauen und den Männern

 
 

Der gesamte Austausch hetzt durch die unterirdischen Gänge der Moskauer Metro: man stelle sich 13 aufgeregte Deutsche vor, die (größtenteils) zum ersten Mal in ihrem Leben mit einer U-Bahn im Moskauer Format konfrontiert werden. Dazu 13 noch aufgeregtere Russen, die quasi mit Überquerung der Landesgrenze die Verantwortung für den Austausch übernommen hatten und sich plötzlich als Reiseführer betätigen müssen. Die ganze Gruppe kämpft mit schier unglaublichen Gepäckbergen. Schließlich bringen die Russen knappe vier Wochen Deutschlandurlaub heim, die Deutschen wiederum haben sich für fast fünf Wochen Überleben in Russland ausgerüstet

Plötzlich ergreift – zum großen Entsetzen einer deutschen Teilnehmerin - ein Unbekannter wortlos ihre Reisetasche. Er hält mit der Gruppe Schritt, trägt die Tasche die Gänge entlang, Treppen hoch und runter, setzt sie schließlich am Bahnsteig ab und verschwindet mit einem Lächeln in der Masse.

Nach dem ersten Schock wird klar, dass wir eine Szene erlebt haben, die sich so in Deutschland nie abspielen, oder aber – wenn doch – mit der Hinzuziehung der Polizei enden würde.

Wie kommt dieser Mann dazu, unaufgefordert beim Taschentragen zu helfen? Hilfsbereitschaft? Ritterlichkeit? Macho? Und wie reagiert die emanzipierte Frau darauf? Dankbar? Empört, da sie ihre manpower in Frage gestellt sieht? Erleichtert, weil ihr jemand die verdammt schwere Tasche abnimmt?

In unserem Fall überwog schlicht und ergreifend die Erleichterung darüber, dass der nette Unbekannte nicht mit der Tasche durchgebrannt ist.

Eine andere Szene spielte sich noch in Deutschland ab: In Leipzig-Taucha besuchten wir einem Segelflugplatz, wo wir Essen und Trinken und anschließend auch Segelfliegen konnten. Allerdings musste das Fliegen abgebrochen werden, weil ein Gewitter aufzog. Also galt es, alles Mitgebrachte möglichst schnell in Sicherheit zu bringen und in die Autos zu verstauen. So griff ich mir eine Bierbank, um sie zum Transporter zu tragen. Plötzlich baut sich einer der russischen Jungs vor mir auf und versucht, sie mit den Worten „Das ist Männerarbeit!“ meinen Händen zu entwinden. Meinen Vorschlag, sich einfach eine andere der zahlreichen Bänke oder gar einen Tisch zu nehmen, damit die Arbeit schneller gehe, ignoriert er. Ich betrachte mich als in meinem Arbeiterinnenstolz gekränkt, lasse ihm die Bank vor die Füße fallen und sage, dass er seine Männerarbeit doch alleine machen solle.

War das die adäquate Reaktion? Zur Völker- und Geschlechterverständigung hat diese Szene sicher nicht beigetragen. So bleibt mir also die Frage: Wie gehe ich damit um, dass mir Bierbänke, Taschen, Getränkekisten, Einkäufe und Wassereimer mit den Worten „Das ist Männerarbeit!“ aus der Hand genommen werden? Und warum tun „die Russen“ das?

Auf jeden Fall wird dieses Verhalten von Seiten der russischen Frauen erwartet. Ich habe die Austauschteilnehmerinnen nur selten mehr als eine Schultertasche oder vielleicht noch ihr Handgepäck tragen sehen. Selbst in St. Petersburg, als die deutsche Gruppe nur noch von zwei Russinnen begleitet wurde, schafften diese beiden es, dass ihr fünftägiges Petersburg-Gepäck von deutschen Teilnehmern getragen wurde, die schon mit ihrem fünf-Wochen-Russland-Überlebensgepäck plus Souvenirs kämpfen mussten.

 

Das erfordert natürlich eine Gegenleistung: Das Gegenstück zur Männerarbeit ist die Frauenarbeit. Diese spielt sich in erster Linie in der Küche, am Herdfeuer, also im Haushalt ab und wird mit sehr viel Liebe und Aufwand betrieben.

In Deutschland war mir die „Frauenarbeit“ zum ersten Mal begegnet, als der Abend der russischen Küche stattfand. Zu dieser Gelegenheit stellen sich die russischen Austauschteilnehmerinnen einen Nachmittag in die Küche, um für alle TeilnehmerInnen russische Spezialitäten vorzubereiten und diese mit dem gesamten Austausch in einem großen Fest zu verzehren. Während ich den Russinnen die Wohnheimküche zeigte, in der sie kochen sollten, sprachen sie ab, wer von ihnen wann anwesend sein müsse und wer noch kurz nach Hause zum Duschen und Entspannen verschwinden könne. Ich fragte, wann denn die Jungs auftauchen würden. Die Antwort kam prompt: „Russische Männer kochen nicht.“

In Russland wurden dann besonders während der Paddeltour im Ural sämtliche Austauschteilnehmer mit großer Aufmerksamkeit kulinarisch umsorgt, gefüttert, mit Schnittchen versorgt und mit Süßigkeiten bedacht. Speziell zwischen den russischen Männern und Frauen spielten sich teilweise herzzerreißende Szenen ab: Wollte er noch Tee trinken, gab er – obwohl direkt neben dem Teeeimer sitzend - ihr die Tasse, die sie für ihn auffüllte. Erschallte der Ruf „Essen fassen!“ ging sie los um sich zwei Teller auffüllen zu lassen, diese liebevoll mit Brot, Ketchup und Mayonnaise zu verzieren und sie dann gemeinsam mit ihm leer zu essen. Einmal beobachtete ich sogar, wie sich eine der Russinnen vom warmen Feuer erhob, von irgendjemandem eine Zigarette besorgte, sie – obwohl Nichtraucherin – anzündete, inhalierte, hustete und dann einem der Russen brachte, der wohl nicht hatte aufstehen wollen.

Es gibt also Männer, die Holz hacken, Boote und Banjas bauen, Fahrtenmesser im Gürtel tragen und Autos reparieren, die sich jedoch sich in völlige Abhängigkeit  begeben, wenn es darum geht, einen Tee einzugießen, ein Essen zu kochen oder Gemüse klein zu schneiden. Umgekehrt geben sich Frauen, die eine improvisierte Waldküche für 30 Personen spielend managen, im wilden Wald Kräuter und Pilze sammeln und im eisigen Fluss Gemüse putzen, genauso hilflos, wenn ein schwerer Wassereimer getragen oder Holz gehackt werden muss.

Irgendwann wurde mir klar, mit welch perfekter Symbiose ich es eigentlich zu tun hatte...

Hannah Tehvocht
November 2006

 

 
   
     

 

Hochzeit mal Russisch

 

 
 

Mir wurde die Ehre zu teil, an einer original russischen Hochzeit teilzunehmen, die dann doch irgendwie doch nicht so russisch war war. Spätestens zur zweisprachigen Zeremonie(baschkirisch und russisch) der standesamtlichen Trauung, war klar – typisch russisch ist wahrscheinlich nur der gute Vodka.

Nach der Stadtrundfahrt und dem Posieren vor ALLEN Denkmälern der Stadt Ufa, ging es in das baschkirische Theater zur Feier. Ich wurde zu den jugendlichen Gästen von Braut und Bräutigam gesetzt. Da meine Russischkenntnisse bereits in der 7.Klasse eingeschlafen waren, wurde mir freundlichst alles ins Englische übersetzt, was denn gerade gesagt wurde und so passierte. Lustig blieb die Tatsache, dass meine Übersetzerin (deren Namen ich dank Vodka nicht behalten konnte) auch ins russische übersetzen musste, wurden doch die meisten Toasts auf baschkirisch und tatarisch gesprochen und gesungen. Ich kann euch sagen, dass das einige waren. Ein jeder Gast musste einen Toast auf das Paar sprechen, auch ich. Natürlich sollte ich auf Deutsch sprechen.

So als Ausländer geoutet fingen alle an mit mir zu trinken und ihre Kenntnisse im Deutschen auszuprobieren sowie mir russische Schimpfwörter beizubringen. Die „Einschänker“ arbeiteten und die Hochzeitsspiele wurden immer ausgelassener.

 

Ein typischer Brauch stellte das Wasserholen dar. Die Braut muss Wasser vom Fluss holen und dieses wird von den Gästen gekauft, damit Braut und Bräutigam ein segenreiches Leben führen, den Vodka gab es gratis dazu.

Mit dem Geldsammeln waren die Trauzeugen betraut, sie sammelten so auch in einem Kinderstrampler Geld für das Kind,– je nach Bein für einen Jungen oder ein Mädchen. Da der Strampler am Ende mit Scheinen gefüllt war, schien das Geschlecht doch recht egal - Hauptsache ein Kind. Dazu natürlich Vodka zum Anstossen und sofort ging es weiter mit Tanz und Spiel.

Da sich diese Hochzeit nicht über ein paar Stunden sondern über einen kompletten Freitag hinzog, kann sie hier im Ganzen nicht wiedergegeben werden.

Gesagt sei noch: Mit geschwungenen Schritten und einem breiten Grinsen verließ ich 4Uhr im Morgen, nach 14 Stunden, die Feier und war voll mit Bildern und Tanzmusik.
Ich kann allen nur raten: Selber heiraten oder einladen lassen!

Ole Dening
November 2006

 

 
   
     
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